Mathias Herrmann


"Steinmarder in unterschiedliche Lebensräumen

-Ressourcen, räumliche und soziale Organisation-"

2004
Laurenti-Verlag

Dissertation an der Uni Bielefeld, Dez. 1997

Zusammenfassung
In einer fünfjährigen Feldstudie wurden in einem Dorf und einem Feld-/Waldgebiet Südwestdeutschlands Steinmarder (Martes foina Erxleben, 1777) mit Telemetrie-Sendern ausgestattet, und das Raum-/Zeitsystem von 14 Tieren bis zu zwei Jahre beobachtet. Die Ergebnisse basieren auf 7344 Peilungen. Zusätzlich wurden an neun handaufgezogenen Steinmardern ergänzende Daten zu im Freiland nicht beobachtbaren Verhaltensweisen gesammelt. Die Arbeit ist in sieben Kapitel und eine abschließende Diskussion und Modellbildung (Kap. VIII) gegliedert.

Kap. I
Die Literaturangaben zur Nahrung von Steinmardern werden im Hinblick auf die Fragen dieser Arbeit ausgewertet und durch eigene Beobachtungen ergänzt. Es zeigt sich, daß Steinmarder sich in der Nahrungswahl opportunistisch verhalten. Sie fressen sowohl tierische als auch pflanzliche Kost. Die beliebtesten Nahrungsobjekte sind süßes Obst, Eier, Kleintiere (Säuger und Vögel) und Abfälle wie Käse, Schokolade, Teigwaren oder Tierfutter. Während im Sommer und Herbst über die Hälfte der Nahrung aus Obst besteht, treten im Winter und Frühjahr Abfälle, Kleinsäuger und Vögel stärker in den Vordergrund. In Feld und Wald bilden auch weniger beliebte Nahrungsobjekte wie Insekten und Regenwürmer einen nennenswerten Anteil der Nahrung. Typische Verhaltensmuster bei der Nahrungssuche sind das "Stöbern" nach Kleinsäugern und Vögeln in einem engen Bereich und das Sammeln von Obst oder Abfällen an einem Ort, der gezielt aufgesucht wird. Bei der Nahrungssuche orientieren sich Steinmarder stärker optisch als andere nachtaktive Carnivoren. Beuteobjekte wie Eier oder Teigwaren werden in Verstecke eingetragen. Große Tiere (Hühner, Kaninchen) werden nur in Ausnahmefällen angegriffen.

Kap. II
Das Nahrungsangebot in den Lebensräumen Dorf, Feld und Wald wird semiquantitativ beschrieben. Neben der Nahrung wird auch das saisonale Deckungsangebot für die Steinmarder dargestellt. Der Lebensraum Dorf ist nahrungs- und deckungsreicher als die Lebensräume Feld und Wald. Im Wald bieten naturnahe Waldbestände, Dickichte und Säume die besten Nahrungs- und Deckungsbedingungen. Wirtschaftsforsten und Lichtungen bieten dagegen ein geringes Nahrungs- und Deckungsangebot. Während der nahrungsarmen Zeit im Frühjahr ist im Wald fast nur tierische Kost verfügbar. Im Feld bieten Hecken und Streuobstbestände die günstigsten Voraussetzungen. An Feldsäumen, Bachufern und Brachland bestehen ebenfalls gute Nahrungs- und Deckungsbedingungen. Wiesen, Weiden und Äcker bieten nur kurze Zeit im Jahr ein günstiges Nahrungs- und Deckungsangebot. Die saisonalen Schwankungen sind im Lebensraum Feld am höchsten. Im Dorf findet sich aufgrund der kleinflächigen Strukturierung überall Deckung in unmittelbarer Nähe von Nahrungsflächen. Das Nahrungsangebot ist im Bereich von Bauernhöfen, Hühnerställen und Gärten vielfältig und ganzjährig am höchsten. In den untersuchten Lebensräumen ist zeitweise oder ganzjährig ein "Überangebot" an Eiern, Abfällen und Obst verfügbar. Nahrungsknappheit ist am ehesten im Spätwinter und Frühjahr im den Lebensräumen Feld und Wald vorstellbar.

Kap. III
Die Habitatwahl der telemetrierten Steinmarder während der Aktivität (2761 Ortungen) wird in Beziehung zum Habitatangebot in den Lebensräumen gesetzt. Dabei wird zwischen großräumigen "Biotopen" und kleinräumigen "Habitatstrukturen" unterschieden. Es lassen sich Dorfmarder und Feld-/Waldmarder unterscheiden, da letztere im Mittel 95% ihres Steifgebietes außerhalb, erstere aber 56% innerhalb von Ortschaften hatten. Die Biotopnutzung unterscheidet sich signifikant vom Angebot. Dorfmarder suchten den "Alten Dorfkern" überproportional häufiger als alle anderen Biotope auf. Gehöfte (soweit im Streifgebiet vorhanden) und Baumhecken werden von Feld-/Waldmardern häufiger, Felder seltener als erwartet aufgesucht. Saisonal zeigen sich die größten Unterschiede in der Besuchshäufigkeit von Feldern, die im Winter und Frühjahr fast gar nicht aufgesucht wurden. Auch Ruderalflächen und Neubaugebiete wurden zu dieser Zeit deutlich seltener aufgesucht. Baumhecken und Alter Dorfkern wurden dagegen im Winter und Frühjahr noch häufiger als zu anderen Jahreszeiten aufgesucht. Dies deutet darauf hin, daß Gehöfte, Alter Dorfkern und Baumhecken wichtige Rückzugsräume zur nahrungsarmen Zeit sind. Von 19 verschiedenen Habitatstrukturen steht "Hühnerhaus" an oberster Stelle in einer "Präferenzskala". Es folgen in absteigender Rangfolge: Bauernhof, Obstwiese, Ruine, Wohnhaus, Naturnaher Wald, Garten, Schuppen, Straße/Böschung, Nadelwald, Hecke, Uferböschung, Brache und Wiese/Weide. Die letzten Ränge nehmen Mischwald, Laubwald, Ackerland und Lichtung ein. Es zeigt sich, daß bevorzugt aufgesuchte Biotope und Habitatstrukturen reichhaltige Nahrung in unmittelbarer Nähe von Deckung bieten. Die Marder suchen sie am häufigsten zu den Jahreszeiten auf, in denen das Nahrungs- und Deckungsangebot in ihnen hoch ist. In den Streifgebieten der Dorfmarder waren die Habitatstrukturen der fünf oberen Präferenzränge 5,2mal häufiger verfügbar als in den Streifgebieten der Feld- und Waldmarder. Die Habitatstrukturen der fünf untersten Präferenzränge standen in den Streifgebieten der Feld-/Waldmarder 2,6 mal häufiger zur Verfügung. Die durchschnittliche Größe der kartierten Habitatstrukturen lag im Dorf bei 0,12 ha, in Feld und Wald bei 2,45 ha. Es wird postuliert, daß Feld-/Waldmarder aufgrund des großen Anteils qualitativ schlechter Habitatstrukturen größere Streifgebiete zur Abdeckung ihrer Bedürfnisse benötigen als Dorfmarder. Im Winter ergänzt eine Auswertung der Schneespurensuche (135 km) das Bild der Habitatwahl. Die Ergebnisse unterstützen den bei der Telemetrie gewonnenen Eindruck, daß Steinmarder enge Bereiche intensiv "durchstöbern". Die durchschnittliche Spurendichte war in den Biotopen Bauernwald, Baumhecken und Alter Dorfkern mit 10-13,5 Spuren/km am höchsten. Die wenigsten Spuren fanden sich im Winter auf Feldern (2,5/km) und im Gewerbegebiet (2,1/km). In allen anderen Biotopen lag die Spurendichte zwischen 6,7 und 8,5. Die Ergebnisse der Telemetrie und der Spurensuche im Schnee stimmen signifikant überein. Die Habitatstrukturen Hecke, Dickicht, Nadelwald, Naturnaher Wald, Uferböschung und Garten weisen über 10 Spuren/km auf. Auf Äckern, Wiesen, Lichtungen und Straßen wurden weniger als 5 Spuren/km gefunden. Aufgrund der Übereinstimmungen wird angenommen, daß die höheren Spurendichten tatsächlich eine bevorzugte Nutzung und nicht eine höhere Populationsdichte widerspiegeln.

Kap. IV
Die Ergebnisse zu den Tagesruheplätzen von Steinmardern zeigen, daß jedes Individuum zwischen 3 und 17 verschiedene Tagesruheplätze benutzte. Ein Wechsel des Ruheplatzes während des Tages war eine seltene Ausnahme (2/124). Im Sommer und Herbst war die Zahl der verschiedenen Ruheplätze höher als im Winter und Frühjahr. Am häufigsten wurden die Tagesruheplätze in Gehöften und im Alten Dorfkern gewählt. Im Grünland, Feldern und Gewerbegebiet suchten die Steinmarder sehr selten einen Ruheplatz. Wenn Schlafplätze in Grünland und Feldern genutzt wurden, dann nur im Sommer und Herbst. Sobald es kälter wurde, waren die bevorzugten Unterschlüpfe im Dorfkern, Gehöften und Baumhecken. Bei den kürzeren nächtlichen Ruhepausen wurden ähnliche Biotoppräferenzen wie am Tage festgestellt. Felder und Grünland wurde nachts allerdings nicht so stark gemieden. An 143 von 145 genau untersuchten Schlafplätzen ruhten die Marder in nach oben gedeckten Tagesruheplätzen. Auch handaufgezogene Steinmarder ruhten in 97% der Fälle tags in ihren Schlafkisten und nicht im Freien, wie dies Baummarder taten. Steinmarder bevorzugen als Tagesruheplätze Gebäude: fast die Hälfte aller Tagesruheplätze lag in Scheunen, in denen altes Stroh lag; andere Schlafplätze in Siedlungen waren im Dachstuhl, in doppelten Wänden und unter Verkleidungen wenig benutzter Gebäude. Wenn Steinmarder keine Gebäude innerhalb ihres Streifgebietes haben, schliefen sie am häufigsten in dichten Vegetationsstrukturen. Auch Baumhöhlen und Erdhöhlen wurden als Tagesschlafplätze angenommen. Es wird postuliert, daß ein optimaler Steinmarderschlafplatz möglichst gute Deckung, gute Isolation im Winter und zur Jungenaufzucht, sowie wenig Störungen bieten muß. Solche Schlafplätze standen im Lebensraum Dorf zahlreicher zur Verfügung als im Lebensraum Feld und Wald. Nach Übernahme eines Streifgebiets durch einen anderen Marder wurden dieselben Schlaftplätze bevorzugt aufgesucht.

Kap. V
Die Aktivität der Steinmarder wurde in Relation zur Tageszeit, Jahreszeit, Klima, Geschlecht und Lebensraum ausgewertet. Steinmarder sind streng nachtaktiv, wichtigster Zeitgeber der circadianen Periodik ist der Hell-Dunkel-Wechsel. Steinmarder, die tags aktiv wurden, hielten sich zu 79% in Bauernhöfen auf. Tagaktivität außerhalb der Ruheplätze wurde nur im Sommer beobachtet. Die durchschnittliche Aktivitätsrate lag bei 14% am Tag (in den Unterschlüpfen), in der Dämmerung bei 47% und während der Nacht bei über 60%. Auch in einem Gehege gehaltene, handaufgezogene Steinmarder zeigten sehr ähnliche Aktivitätsraten und eine ähnliche Aktivitätsverteilung, obwohl bei ihnen kein großer Zeitaufwand zur Nahrungsaufnahme erforderlich war. Es wird vermutet, daß bei Steinmardern in erster Linie endogene Faktoren die Dauer der Aktivitätsmenge bestimmen und diese nur wenig vom Ressourcenangebot abhängt. Die durchschnittliche nächtliche Aktivitätsdauer schwankte bei den freilebenden Steinmardern zwischen 340min im April und 479min im Oktober. Von November bis Februar (n=502) war das Aktivitätsmuster vielgipfelig, wobei die höchsten Aktivitätsraten nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang beobachtet wurden. Im März und von Juli bis Oktober war das Aktivitätsmuster dreigipfelig, ab April zweigipfelig mit Maxima nach Sonnenuntergang, bzw. vor Sonnenaufgang. Im Juni, Juli und August waren die Steinmarder fast die ganze Nacht aktiv (70% bis 90%). Außerdem wurden die Tiere relativ zum Sonnenuntergang früher aktiv und blieben am Morgen relativ zum Sonnenaufgang länger wach. Trotz der kurzen Nächte ändert sich daher die absolute Aktivitätsdauer nicht wesentlich. Eine mögliche Ursache für die kürzeren Aktivitätsdauern im März/April ist die, durch die Jungenaufzucht bedingte, Aktivitätsreduktion der Fähen. Der hohe Obstanteil in der Nahrung im Sommer und Herbst erfordert häufigere Nahrungsaufnahme und könnte eine Ursache für die längeren Aktivitätsperioden zu dieser Jahreszeit sein. Keine Zusammenhänge ergaben sich zwischen monatlichen Durchschnittstemperaturen und der Aktivitätsrate. Ein deutlicher Zusammenhang zeigte sich dagegen zwischen kurzfristigen Temperaturschwankungen und der Aktivität. Bei kalten Temperaturen (<10°C) reduzierten wildlebende und handaufgezogene Steinmarder ihre Aktivität signifikant. Im Schnitt betrug die Reduktion 17min pro °C. Rüden waren im Sommer und Herbst länger aktiv als Fähen. Dies wird in Zusammenhang mit einem höheren Aufwand für die Revierverteidigung gesehen. Feld-/Waldmarder waren, außer im Winter, länger aktiv als Dorfmarder. Insbesondere begannen Feld-/Waldmarder ihre nächtliche Aktivitätsphase früher am Abend. An Wochenenden waren Dorfmarder morgens länger aktiv als an Werktagen. Dies wird auf größere Störungen im dörflichen Lebensraum am Abend und werktags auch morgens zurückgeführt.

Kap. VI
Die Größe der Streifgebiete der beobachteten Steinmarder schwankte zwischen 16 und 211 Hektar. Es stelllt sich die Frage, welche Faktoren diese große Varianz bedingen. Der Einfluß von vier mutmaßlich bedeutsamen Faktorenkomplexen auf die Streifgebietsgröße wurde untersucht. Die Steinmarder in Feld- und Waldgebieten hatten signifikant größere (3,4mal) Streifgebiete als die Steinmarder in Dörfern. Die fünf am stärksten präferierten Habitatstrukturen waren für Dorfmarder 5,1mal so häufig verfügbar wie für Feld-/Waldmarder. Die fünf am seltensten aufgesuchten Habitatstrukturen waren dagegen in den Streifgebieten der Feld-/Waldmarder 2,6mal häufiger als bei Dorfmardern. Das Angebot an Nahrung, Schlafplätzen und Deckung ist im Dorf wesentlich besser. Die kleineren Streifgebiete im Dorf können aufgrund des Ressourcenangebots erklärt werden. Die Streifgebiete von Rüden waren fast doppelt so groß wie die der Fähen (p<0.005). Adulte Steinmarder hatten tendenziell größere Streifgebiete als juvenile oder subadulte (n.s.). Es wurden deutliche jahreszeitliche Schwankungen in der Streifgebietsgröße beobachtet. Die an Geschlecht, Alter und Jahreszeiten gekoppelten Unterschiede in der Streifgebietsgröße können nicht anhand des Ressourcenangebots erklärt werden. Bei den meisten beobachteten Steinmardern stieg die Größe des Aktionsraumes vom Winter zum Frühjahr an. Sie erreichte im Sommer ihren Höhepunkt und fiel zum Winter hin wieder ab. Ein Rüde verfünffachte sein Streifgebiet vom Winter bis zur Ranzzeit. Die Funktion des großen Streifgebiets wird darin gesehen, möglichst viele Fähen im eigenen Revier zu haben. Es wird vermutet, daß er den Territorialanspruch auf das Gesamtgebiet auch im Winter niemals verloren hatte, seine Aktivität zu dieser Jahreszeit aber auf ein Gebiet beschränkte, das zum Überleben ausreichend Ressourcen bot. Bei Fähen waren die Schwankungen geringer. Sie haben aber größere Streifgebiete als zur Ernährung unbedingt notwendig. Es wird die Hypothese vertreten, daß Fähen große Reviere haben, damit die Jungtiere länger im mütterlichen Gebiet bleiben können. Subadulte Steinmarder zeigten zum Teil gegenläufige Muster der saisonalen Streifgebietsausdehnung. Sie scheinen auch hinsichtlich der Ausdehnung ihres Aktionsraumes am stärksten beengt zu sein. Steinmardern, bei denen die Faktorenkomplexe Lebensraum, Alter, Geschlecht und Jahreszeit gleich waren, besaßen auch ähnlich große Streifgebiete. Dies ist ein Hinweis, daß es sich bei den oben genannten Faktoren um wesentliche Einflußfaktoren auf die Größe der Streifgebiete handelt.

Kap VII
Die telemetrischen Untersuchungen erlauben Rückschlüsse auf die räumliche und soziale Organisation der untersuchten Steinmarderpopulation. Vergleiche mit anderen Arbeiten und Beobachtungen an handaufgezogenen Tieren stützen die erzielten Ergebnisse. Die Streifgebiete adulter Steinmarder waren sehr stabil und änderten sich selbst über Jahre kaum. Adulte Steinmarder verhalten sich gegen gleichgeschlechtliche Artgenossen territorial. So bestanden scharfe Grenzen zwischen den Territorien jeweils zweier benachbarter Fähen. Die Rüden haben im Sommer größere Territorien als die Fähen. Rüden können deshalb ein oder mehrere Fähenreviere ganz oder teilweise innerhalb ihres Territoriums haben. Reviere, die nicht mehr besetzt waren, wurden schnell von anderen Tieren übernommen. In einem Fall wurde bei einer Fähe im Feld eine saisonale Verlagerung des Streifgebiets beobachtet. Im Frühjahr wechselte sie aus der Ortschaft in nahrungsreiche Feldgebiete, ab Herbst nutzte sie wieder Schlafplätze im Dorf. Bei einer Fähe konnte die Jungenaufzucht telemetrisch verfolgt werden. In den ersten Tagen (Mitte März) verließ sie den Wurfplatz kaum. Mit zunehmendem Alter der Jungen nahm auch die Aktivität der Fähe außerhalb des Wurfplatzes zu. Mit sieben Wochen erfolgte ein Umzug in ein neues Quartier. Als die Jungen 60 Tage alt waren, wurde das Zutragen von Futter beobachtet. Ab Juni wählte die Mutter zeitweise Tagesschlafplätze, die nicht in der Nähe der Jungen lagen. Der adulte Rüde wurde nie bei den Jungtieren beobachtet. Er wurde vermutlich von der Fähe aus einem Kernraum um den Wurfplatz vertrieben. Die Jungtiere lebten innerhalb des mütterlichen Streifgebietes. Bis zum Abreißen des Funkkontakts im Januar konnten Junge und Muttertier oft gemeinsam am Schlafplatz und bei der Aktivität beobachtet werden. Die Mutter spielte gemeinsam mit den Jungen und führte sie. Der Sohn hatte häufiger Kontakt zur Mutterfähe als die Tochter. Der Jungrüde blieb bis Juli des darauffolgenden Jahres im mütterlichen Streifgebiet. Auch andere Beobachtungen deuten auf eine lange Verweildauer der Jungtiere im Mutterrevier und langanhaltenden Kontakt zur Mutter hin.

Wanderungen wurden bei juvenilen und subadulten Tieren sowie bei Tieren, die ihr Territorium eingebüßt hatten, beobachtet. Während der Wanderungen wurden bis zu 10 Kilometer innerhalb weniger Tage zurückgelegt. Dann hatten die Steinmarder ein Gebiet gefunden, in dem sie sich niederließen. So etablierte ein adulter Rüde nach der Wanderung ein Streifgebiet in einem, hinsichtlich des Nahrungs- und Versteckangebotes, reichhaltigen dörflichen Lebensraum. Subadulte Tiere konnten nur Streifgebiete in suboptimalen Lebensräumen in Feld und Wald etablieren.

Diskussion mit Modell- und Hypothesenbildung:
Nahrung, Schlafplätze und Deckung sind die wichtigsten Ressourcen für Steinmarder. Sie sind in den untersuchten Lebensräumen während der meisten Zeit des Jahres in solcher Menge vorhanden, daß sie die Steinmarderpopulation nicht limitieren. Lediglich im Winter und zu Beginn des Frühjahrs können Nahrungsengpässe in Feld und Wald auftreten. Auch thermoregulatorisch günstige und ruhige Schlafplätze sind am ehesten in Feld und Wald während des Winters knapp. Insbesondere die für die Jungenaufzucht benötigten größeren und warmen Unterschlüpfe sind hier kaum zu finden. Im Lebensraum Dorf sind immer so viele Abfälle u.a. vorhanden, daß Steinmarder hier nicht durch fehlende Nahrung limitiert werden. Zahlreiche gute Schlafplätze stehen zur Verfügung. Es wird vermutet, daß die Tragfähigkeit des Lebensraumes Dorf für Steinmarder noch nicht ausgeschöpft ist. Ein möglicher Grund hierfür wird in der unter anderen ökologischen Rahmenbedingungen evoluierten starken Territorialität der Steinmarder gesehen. Diese bedingt, daß das Streifgebiet nicht kleiner als 10 ha wird. Neue möglicherweise tradierte Raumnutzungsstrategien und Aktivitätsmuster ermöglichen den Steinmardern weitere Strukturen der Dörfer und Städte (z.B. geparkte Autos) als Lebensraum zu erschließen.

Die soziale Organisation von Steinmardern ist sehr stark an den Raum gekoppelt. Steinmarder wechseln nur selten aus dem vertrauten Streifgebiet. Gleichgeschlechtliche adulte Tiere werden nicht im eigenen Territorium geduldet. Deshalb haben Steinmarderrüden nur Zugang zu Weibchen, die innerhalb ihres Streifgebietes leben. Steinmarderrüden sollten, um ihren Reproduktionserfolg zu maximieren, möglichst große Territorien verteidigen. Gleichzeitig vermindern sie so die intraspezifische Nahrungskonkurrenz gegenüber den eigenen Weibchen. Die Weibchen können gleichfalls ihren Reproduktionserfolg maximieren, indem sie größere Territorien verteidigen. In einem größeren Territorium stehen auch im Winter genügend Ressourcen für die eigenen Jungen zur Verfügung, und die gefährliche Suche der Jungtiere nach einem eigenen Streifgebiet kann später erfolgen oder ganz entfallen, weil ein Teil des mütterlichen Streifgebietes übernommen wird. Subadulte Steinmarder sind oft an den Rand der Siedlungen oder in qualitativ schlechte Feld- und Waldgebiete abgedrängt. Ihr Raum- und Zeitnutzungsmuster spricht dafür, daß sie etablierten adulten Tieren ausweichen müssen. Adulte Steinmarder hatten ihr Aktivitätszentrum in optimalen Biotopen (Alter Dorfkern und Gehöfte). Hier wurde auch regelmäßig erfolgreiche Reproduktion nachgewiesen, während die meisten mit Sendern markierten Steinmarderfähen außerhalb von Ortschaften nicht reproduzierten. Es wird die Hypothese vertreten, daß die derzeit in Feld und Wald lebenden Steinmarderpopulationen ständig neuen Zufluß aus den Ortschaften bekommen und u. a. deshalb häufiger als Baummarder sind.

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Die komplette Arbeit ist als Buch in der Reihe Ökologie der Säugetiere beim Laurenti-Verlag erschienen. Sie können es unter folgender Adresse bestellen:

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